Sonntag, 24. Juli 2022

Tod den Nervensägen, die Angst vorm Tod haben!

Von Charb


Ich habe Angst vor dem Tod, ich will nicht sterben, bibber-bibber … Ja, geht’s noch ein bisschen selbstgefälliger? Warum bitte schön solltest du nicht sterben wie alle Menschen? Was ist denn so besonders an deinem Leben, dass du dich daran klammerst wie eine Filzlaus? Du hast nur das eine Leben? Klar, das ist allgemein bekannt. Warum solltest du mehrere haben? Um den gleichen Schwachsinn zu erleben, den du schon einmal erlebt hast, und um an Ende wieder zu heulen anzufangen, dass du nicht sterben willst? Schlechter Verlierer! Beim Dosenwerfen müssen immer alle Dosen auf dem Boden landen und wenn nicht, kriegt das Kindchen einen Koller. Man muss älter werden, mein Bester, und am Ende, ja, sterben. Dass du Angst vor dem Moment hast, der dem Sterben vorausgeht, ist verständlich, da gibt es böse Agonien, mit denen ist nicht zu spaßen, aber heutzutage genügt ein kleiner Piks und du bekommst von all dem nichts mehr mit. Ich meine, du erinnerst dich doch noch an das unschöne Gefühl im Magen vor den Abiturprüfungen, oder? Nun also, der Tod sollte dir nicht mehr Angst machen als damals das Abitur. Und die  Angst beim Abi rührte daher, dass man durchfallen konnte. Beim Tod besteht in dieser Hinsicht keinerlei Gefahr, die Sterbeurkunde ist uns sicher. Ist es der Schritt ins Unbekannte, der dir Muffensausen bereitet? Nun, das Nichts ist nicht das «Unbekannte», sondern das Nichts. Das Nichts ist … wie soll ich es dir erklären? Denk an deinen Job bei der Post! Okay? Na also, das Nichts ist genau so, nur weniger nervig. Und was dein Leben angeht – vergiss nicht, dass du es gratis bekommen hast. Wenn du auf der Straße einen 100-Euro-Schein findest, hebst du ihn auf und hältst schön den Mund. Wenn du ihn in die Tasche steckst, überlegst du bereits, was du dir davon kaufst, richtig? Du weißt sehr gut, dass die 100 Euro nicht ewig halten werden, und du akzeptierst es. Dein Leben ist dieser 100-Euro-Schein. Sagen wir 500 Euro, um dir eine Freude zu machen. Und in Sachen Leben hast du dir nicht mal die Mühe machen müssen, dich zu bücken, um es aufzuheben. Fauler Hund!

Ich denke, Sie sind mit mir einer Meinung, die Nervensägen, die Angst vor dem Tod haben, verdienen es, in den Suizid getrieben zu werden, und der Film ihres Lebens, der vor ihrem inneren Auge abläuft, zeige nur Szenen, in denen sie Geschirr spülen! Amen.

(Aus dem Französischen von H. A.)

Charb (Stéphane Charbonnier, 1967–2015):  Les Fatwas de Charb (
Petit Traité d’intollerance, tome 1), Éditions Les Échappes: 2009.